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Der Wunsch des Freiherrn

geschrieben von Ducan

Skeptisch lässt sie ihre Finger über die Maserung gleiten. Und nur die Bewegungen ihres Mundes lassen erahnen, dass sie stumm die Aststellen zählt. Diesmal legt sie besonders viel Wert auf die Qualität des Holzes. Immerhin kommt es nicht oft vor, dass sie für einen Adligen arbeiten darf. Zugegeben, es ist nur ein junger Freiherr, der sich seinen Titel, den Gerüchten nach, durch einen eher zweifelhaften Dienst für seine Majestät verdient hatte. Aber dennoch bleibt er ein Adliger. Und wenn sie ihre Sache gut machte, konnte das ihrer Karriere nur dienlich sein.

Gedankenverloren nickt sie dem stämmigen Holzfäller zu, der vor ihr steht und auf ihre Zustimmung wartet. Für diesen Stamm würde sie eine Menge Geld vorschießen müssen. Doch wenn alles gut ging hätte sie bald genug Geld um 10 Baumstämme in dieser Qualität zu kaufen. Im Kopf malte sie sich bereits die tollsten Sachen aus, die sie für das viele Geld kaufen könnte: Kleider, Schmuck und die teuersten Süßspeißen. Aber bis dahin galt es noch einiges zu tun. Und so machte sie sich bald schon wieder auf den Weg zu ihrem kleinen Dorf im Lehen Candaria.

Es war bereits Abend, als sie endlich ihre bescheidene kleine Werkstatt erreichte. Norlinde Eichbrecht ist eine Schreinergesellin mittleren Alters. Sie ist eher stämmig und zählt wohl nicht zu den schönsten Frauen des Dorfes. Doch die Leute respektieren sie, hatte Norlinde doch dem einen oder anderen schon so einige Dienste geleistet. Außerdem lebte sie mit ihrem Mann, welcher der Dorfmiliz angehörte, ein einfaches und glückliches Leben.

Mit der Hilfe einiger anderer Dorfleute gelang es ihr, den Baumstamm von dem Fuhrwagen zu der Sägestelle zu schaffen. Und schon musste sie erkennen, dass ihre Träumereien von edlen Kleidern und schönem Schmuck wohl doch erstmal nur Träume bleiben würden. Ihr Werkzeug war schon mehr als nur abgenutzt. Und auch die Werkstatt konnte durchaus ein paar Reparaturen vertragen. Außerdem hat sie Schulden. Sie muss noch immer die Grundsteuer und den Zunftbeitrag entrichten. Es war nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die Holzwerker-Zunft ihren Beistand aufkündigen würde.

So machte sie sich schon am nächsten Tag fleißig ans Werk. Mit höchster Sorgfalt entfernt sie die Rinde und zerteilt den Baumstamm penibel in Blöcke und Bretter, so dass nahezu kein Verschnitt übrig bleibt. Nichts darf verschwendet werden. Tagelang sägt sie, hobelt sie, feilt sie und schnitz sie. Ihre ganze Palette an Werkzeugen setzt sie ein, von der Feinsäge, über Schlichthobel und Stechbeitel, bis hin zur Holzraspel. Alles ist vertreten. Und alles wusste sie gezielt und sicher einzusetzen. Man hätte ihre Arbeit fast als „Meisterhaft“ bezeichnen können, gäbe es nicht hier und da noch ein paar Tricks und Kniffe, die sie noch lernen musste. Aber sie ist ja auch noch eine Gesellin. Doch vielleicht, wenn genug Geld übrig blieb, würde sie bald schon versuchen den Meistergrad zu erlangen.

Endlich ist sie fertig. Eine Speißezimmertafel, wie sie sich nur ein Adliger leisten und in seine Anwesen stellen würde. Der Schweiß steht ihr noch immer auf der Stirn. Bis eben hatte sie die große Fläche gewachst und poliert. Doch endlich ist sie fertig. Morgen schon würde der Freiherr ihre Werkstatt aufsuchen und seine Ware begutachten. Inständig betet sie zu Mithras für die Zufriedenheit des Adligen. Das schlimmste wäre, wenn er ihre Arbeit aus irgendeinem Grund zurückweisen würde. Immer wieder kontrolliert sie ihr Werk, poliert hier und da noch mal drüber, und versucht zur Ruhe zu kommen. Aber Schlaf wird sie diese Nacht vor Aufregung wohl nicht finden…