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Ein Tag wie jeder andere

geschrieben von Dagobert

Das war also sein Traum. Eine eigene Schneiderei hatte sich Ribald Tachileah schon erträumt als er damals, vor so vielen Jahren, die Lehre begann. An dieses schäbige, heruntergekommene Etwas, welches er nun sein Geschäft nennen durfte, hatte er dabei allerdings nicht gedacht. Er hatte wirklich getan was er konnte. Gehämmert, gesägt, geschliffen, geputzt und gefegt. Doch es half nichts. Seine Hände waren für Nadel und Faden bestimmt, für das Maßband und die Schere. So pfiff weiterhin der Wind durch die Ritzen und die Türe knarrte bei jedem Kunden so schrecklich, als würde gleich das ganze Haus über einem zusammenstürzen. Ein schönes Gebäude – nichts hatte er sich sehnlicher herbeigesehnt. Ein schönes Gebäude um schöne Frauen anzulocken. Deshalb hatte er sich doch überhaupt für dieses Handwerk entschieden. Die Damenwelt interessierte es herzlich wenig wie hässlich der Schneider war, solange er nur ein schickes Gewand an ihren Leib zaubern konnte. Ribald war dazu in der Lage. Doch wer würde kommen, bei solch einem Anblick? Ein hässliches Geschäft zog nun einmal nur hässliche Menschen an. Vermutlich fühlte er sich deswegen, trotz Allem, sehr wohl in seinem Geschäft.

Das grauenhafte Knarren riss ihn aus seinem stillen Selbstmitleid und plötzlich war es, als würde seine Welt, sein ganzes Leben, in ein neues Licht getaucht werden. Es verblasste nicht als die Türe wieder zugefallen war und Ribald alleine in seinem Laden stand. Alleine, bis auf die atemberaubend schöne Fremde, die mit offenherzigem Lächeln auf den hässlichen Schneider zukam. Das feurig rote Haar reichte hinab bis zu ihren Hüften und schimmerte, trotz der schwachen Beleuchtung, kräftiger als der feinste und wertvollste Stoff den Ribald Tachileah in seinem erbärmlichen Leben je erblickt hatte. Ein hübsches Gesicht hatte sie obendrein. Die Nase war weder zu groß, noch zu klein. Sie war nicht spitz genug um damit Augen auszustechen, noch war sie so flach, als hätte man sie von einem Schwein gestohlen. Die Augen standen in einem normalen Abstand zueinander. Groß waren sie. Groß und grün. Die Lippen besaßen einen kräftigen Rotton und erinnerten an überreife Beeren. Die, die besonders süß waren. Vielleicht wäre sie einem anderen gar nicht so hübsch vorgekommen. Vielleicht war sie einfach nur ein normales Mädchen. Für Ribald jedoch, der nur Menschen gewohnt war die ebenso hässlich waren wie er, schien sie die schönste Frau auf der ganzen Welt zu sein. Außerdem hatte sie Brüste, prall, als ob sie einem gleich ins Gesicht springen wollten. Sie wollte ein neues Kleid. Sie wollte, dass er ihre Maße nahm. Er war so glücklich wie noch nie zuvor.

Gebeugt maß er den Umfang ihrer Hüfte, während ihr schwerer Vorbau auf seinem Kopf ruhte. Vielleicht sollte er ihr seine Liebe gestehen? Vielleicht wusste sie einen hart arbeitenden Mann zu schätzen, egal wie er aussah? Vielleicht wären sie füreinander bestimmt. Vielleicht...

Ribalds Gedanken fanden ein plötzliches Ende als die Rothaarige Schönheit laut aufstieß, wie er es noch nie zuvor bei einer Frau gehört hatte. Dieser Vorfall riss ihn aus der Traumwelt und schleuderte ihn so fest zurück in die Wirklichkeit, das sein Kopf brummte. Die prächtige Oberweite verwandelte sich in den enormen Bierbauch des benachbarten Wirtes. Die roten Haare verschwanden vollkommen von der Kopfhaut, ließen eine Glatze zurück, und wanderten stattdessen in Form eines ungekämmten Schnauzers über die Lippen des Mannes. Mit dem Geruch von Alkohol und Würsten in der Nase vollendete der Schneider seine Arbeit und notierte die Maße. Eine Schürze sollte es sein.

Noch lange nachdem der Mann ihn wieder vollkommen allein in seinem Geschäft zurückgelassen hatte, dachte er an die Rothaarige, die alles für ihn gewesen war. Wenn auch nur für einen Moment. Die nächsten Stunden verbrachte er damit seine Wollreste zu Garn zu spinnen und anschließend am Webstuhl zu verknüpfen. Später würde er noch einige Stoffe färben müssen, damit sie über Nacht trocken waren. Zuerst jedoch hieß es noch große Mengen an Leder zu gerben. Zusammen mit einem großen Behälter voll übelriechender Flüssigkeit machte er sich auf den Weg. Ribald beachtete den Gestank schon lange nicht mehr. Wie auch die Menschen ihn schon lange nicht mehr beachteten.